Mit der Pandemie hat sich nicht nur das Corona-Virus rasant verbreitet, sondern auch die Videokonferenz erlebte eine ungeahnte Blüte - und sie ist gekommen, um zu bleiben. Was gut ist für das Klima, drückt manchem auf die Stimmung.
Geht dir das auch so? Ich kenne einige Führungskräfte, Projektleiter, Berater sowie Trainer und Coaches, denen beim Blick in den Wochenkalender mit mehreren Videokonferenz-Terminen pro Tag ein kalter Schauer über den Rücken läuft. Die Meetingitis wütet schlimmer denn je!
Wie schaffst du es, deine Videokonferenz so zu gestalten, dass alle gern und aktiv mitmachen und sie nicht als Zeitverschwendung erleben? Dazu stellt sich zuerst die entscheidende Frage:
Also was ist der Anlass deiner Videokonferenz und welche Ziele willst du erreichen?
In meiner Rolle als Führungskraft bei der Blue Man Group und der Joop van den Ende Academy habe ich auch diese Situationen in Meetings und Videokonferenzen erlebt:
Es gibt natürlich noch viel mehr Anlässe für eine Videokonferenz. Effizient wird sie allerdings nur, wenn es neben dem Austausch von Informationen um echte Interaktion, das Entwickeln von Ideen und das Treffen von Entscheidungen geht. Dies ist eine wichtige erste Voraussetzung, damit die Teilnehmer nicht wegdösen oder nebenbei andere Dinge erledigen, sondern am Ball bleiben und aktiv werden.
Im besten Fall hältst du in der Videokonferenz keinen Monolog, sondern gehst in einen echten Dialog mit deinen Gesprächspartnern. Du kannst deine Präsentation zwar minutiös vorbereiten, wie die Gespräche verlaufen, kannst du leider nicht planen.
Und trotzdem solltest du dich gut vorbereiten, um die Zeit in der Videokonferenz zielführend für dich zu nutzen.
Aber wie machst du das, wenn du kein Hellseher bist?
Es gibt eine Gemeinsamkeit mit Vorträgen und Präsentationen: Auch eine Videokonferenz entwickelt sich in einer vorgegebenen Zeit. Und es ist für alle Beteiligten frustrierend, wenn diese Entwicklung auf der Stelle tritt. Also wenn die Teilnehmer am Ende keine neuen Erkenntnisse gewonnen, keine Ideen generiert und keine Entscheidungen getroffen haben - und die Videokonferenz viel länger gedauert hat, als ursprünglich geplant.
Darum rate ich dir, deine Teilnahme an einer Videokonferenz gut vorzubereiten und dir nicht nur Gedanken über die Ziele zu machen, sondern eine Dramaturgie zu entwickeln. Gerade, wenn für dich einiges auf dem Spiel steht und du der "Veranstalter" bist.
Den tatsächlichen Verlauf einer Videokonferenz kannst du zwar nicht voraussagen, im Hinblick auf dein Ziel kannst du dir aber überlegen, wann du bestimmte Themen am Besten ansprichst und vor allem, in welcher Form du sie auf den Tisch packst.
Liefere deinen Teilnehmern z.B. nicht gleich Ergebnisse, sondern lasse sie erstmal ihren Wissensstand einbringen:
"Was schätzt ihr, wie viele Neukunden konnten wir im vergangenen Halbjahr gewinnen?"
Lasse sie ihre Schätzung in den Videokonferenz Chat schreiben - oder auf einen Zetteln, den sie erst später zeigen.
Oder:
"Was schätzt ihr, haben wir dieses Jahr mehr als 10 Prozent plus gemacht oder weniger?"
Wer "mehr" sagt, tut nichts und bleibt sichtbar. Wer "weniger" meint, deckt die Kamera mit dem Daumen ab. Sodass ein rötlicher Bildschirm zu sehen ist.
Jetzt sind natürlich alle auf die Auflösung gespannt. Tue ihnen den Gefallen nicht, sondern nutze ihre Neugierde und gib ihnen die wahren Zahlen, Daten und Fakten erst im Laufe der Videokonferenz. So erreichst du eine höhere innere Beteiligung bei den Teilnehmern und sie haben mehr Spaß, bei der Sache zu bleiben.
Auf solche dramaturgischen Kniffe kommst du, wenn du genau weißt, was du in der Videokonferenz bei den Teilnehmern bewirken willst. Darum überlege dir zuerst:
Wenn du dich zeitsparend und effizient vorbereiten willst, richte deinen Fokus nicht ausschließlich auf die Inhalte der Videokonferenz, sondern gehe zuerst diese drei Schritte, um dein "Reiseziel" zu definieren:
In meinem Workbook DER ROTE FADEN beschreibe ich diesen Reiseziel-Prozess ausführlicher und gebe dir eine universelle Dramaturgie an die Hand.
Natürlich kannst du im Vorfeld nicht zu 100 Prozent wissen, wann der richtige Moment gekommen ist, deine Botschaft laut auszusprechen. Das wird vielleicht auch gar nicht nötig sein.
Solange du deine Botschaft vor Augen hast, wirst du in der Videokonferenz klar und entschlossen auftreten und deine Ziele unmissverständlich kommunizieren.
Wichtig: Kommunikation ist keine Einbahnstraße: Nicht nur du willst von den Teilnehmern gehört werden.
Die ewigen Monologe in Videokonferenzen (und auch in anderen Meetings) sind frustrierend. Wenn du willst, dass sich die Teilnehmer deiner Videokonferenz einbezogen fühlen, interessiert mitmachen und mitdenken, dann... beziehe sie wirklich mit ein!
"Heute teile ich euch mit, für welche Kampagne wir uns entscheiden sollten und warum."
Zweck und Ziel der Videokonferenz ist jetzt allen Beteiligten klar. Und sie haben auch kapiert, dass sie bei der Entscheidung, die ansteht, nicht wirklich mitzureden haben. Natürlich geht die Beteiligung dann gegen null.
Darum Frage die Teilnehmer deiner Videokonferenz an den entscheidenden Stellen :
"Was fällt euch dazu ein?" oder "Schreibt mir kurz eure Einschätzung/Ideen/Erfahrung in den Chat."
In deinem Team/deinen Geschäftspartnern/deinen potenziellen Kunden steckt viel Wissen und kreatives Potenzial. Es wäre Verschwendung, wenn das nicht genutzt wird.
Denkt das Team oder die Videokonferenz-Runde erstmal konstruktiv in die gleiche Richtung, kommen wesentlich bessere Lösungsvorschläge zustande, als wenn nur einer denkt und entscheidet. Das kennst du bestimmt!
Es ist generell sinnvoll, in einer Videokonferenz ein paar "Spielregeln" einzuführen. Je nach Runde kannst du die Regeln anpassen. Du kannst z.B. Teilnehmer oder Helfer mit Aufgaben betrauen.
Die wichtigste Aufgabe ist die Moderation der Videokonferenz - und das muss nicht zwangsläufig derjenige tun, der am tiefsten im Thema steht und alle eingeladen hat. Das ist eine gute Aufgabe für jemanden, der weniger die Inhalte und mehr die Meta-Ebene und den Ablauf des Meetings im Blick behält.
Z.B. kann er oder sie eine konkrete Redezeit vorgeben, Redebeiträge stoppen und das Wort entziehen, wenn die Zeit deutlich überschritten wird. 60 bis 90 Sekunden haben sich übrigens nicht nur bei einer Videokonferenz als produktive Redezeit bewährt. Setze einen Time-Keeper ein, der die Zeit im Blick behält. Du wirst staunen, welche Dynamik das in deine nächste Videokonferenz bringt.
Wenn Du mit einer Gruppe bestimmter Leute regelmäßig Videokonferenzen machst, ist es extrem hilfreich, wenn ihr euch gemeinsam auf bestimmte Spielregeln einigt. Nehmt euch etwas Zeit, damit ihr die nervigsten Videokonferenz-Erfahrungen erst sammelt und konstruktive Regeln aufstellt, um dieses Fehlverhalten in Zukunft zu vermeiden.
> Kamera an!
Es ist demotivierend auf schwarze Quadrate zu starren. Überdies spielt die Mimik eine wesentliche Rolle in der Videokonferenz. Wenn du das Gesicht und damit die Mimik und Gestik deines Gegenübers nicht siehst, geht die non-verbale Information verloren, du kannst die Stimmung in der Gruppe nicht gut einschätzen, es kommt zu Missverständnissen und es fällt viel schwerer, aufmerksam zu bleiben.
> Pausen!
Nach einer Stunde sollte eine kurze Pause kommen. Ich erlebe es immer wieder, wie froh Teilnehmer in Videokonferenzen sind, wenn sie kurz auf die Toilette oder einen Kaffee holen können, ohne dass sie peinlich berührt fragen müssen. Außerdem können so alle die Augen vom Bildschirm entspannen - auch du!
> Auf Augenhöhe!
Stell deinen Monitor und damit die Kamera so ein, dass du auf Augenhöhe mit deinen Gesprächspartnern bist. Wenn du von oben herabblickst, kann das auf die Teilnehmer herablassend wirken. Wenn du aufblickst, empfinden sie dich unbewußt als unterwürfig.
> In die Kamera schauen!
Sicher schaust du auf deinen Bildschirm, um die anderen oder deine Präsentation zu sehen. Doch damit verbaust du dir echten Blickkontakt: Nur wenn du in die Kamera schaust, fühlen sich die Teilnehmer deiner Videokonferenz angeschaut und damit angesprochen. Allerdings kannst du sie dann nicht sehen, während du sprichst. Doch das ist in Ordnung! Klebe dir am besten ein Post-it mit einem Smiley neben die Kameralinse, damit du nicht vergisst, beim Sprechen hineinzukucken. Beim Zuhören kannst du dann in die Gesichter auf den Bildschirm schauen (siehe Mimik und Gestik).
> Selbstbild aus!
Damit du nicht von deinem Selbstbild abgelenkt wirst, mache es aus oder klein. Du kannst zu Anfang der Videokonferenz überprüfen, ob du richtig sitzt und der Kamera-Ausschnitt für Mimik und Gestik gut ist.
> Interaktion einfordern!
Videokonferenzen sind tendenziell ermüdend und es reden oft die Gleichen. Deshalb fordere Beteiligung von deinen Teilnehmern. Stelle Fragen, lasse sie in den Chat schreiben, mache Umfragen und lasse sie Handzeichen geben: Daumen hoch oder runter. Wenn mehrere Abstimmungen anstehen, kannst du deine Teilnehmer bitten, vor der Videokonferenz einen roten und einen grünen Gegenstand mitzubringen und diese bei Abstimmungen in die Kamera zu halten. Durch Beteiligung werden die Teilnehmer von lethargischen Konsumenten zu aufmerksamen Gestaltern.
> Interaktive Tools sinnvoll nutzen!
Ja, es gibt unterdessen unglaublich viele tolle Tools wie Breakout-Rooms, virtuelle Whiteboards, Umfragen, Quiz-Plattformen und vieles mehr.
Probiere gezielt neue Tools aus, die dir zum Erreichen deiner Ziele sinnvoll erscheinen. Aber übertreibe es nicht. Wenn ich als Teilnehmer einer Videokonferenz in den Chat schreiben, mich parallel auf einer Co-Working-Plattform anmelden und schließlich noch mit dem Handy an einer Abstimmung teilnehme soll, ist das schnell nicht mehr anregend, sondern anstrengend.
Darum baue in eine Videokonferenz maximal ein bis zwei zusätzliche Tools ein und nutze sie effizient für bestimmte Aufgaben oder als durchgängiges Werkzeug für ein ganzes Meeting.
> Gutes Licht!
Wenn du über kein Kamera- oder Fotolicht verfügst, solltest du dich nicht vors Fenster setzen. Du erscheinst sonst dunkel und man kann dein Gesicht und deine Mimik nicht erkennen (s.o.)
> Bonus Ton!
Wenn du richtig gut sein willst, legst du dir ein externes Mikro zu (und rätst das all deinen regelmäßigen Videokonferenz Gesprächspartnern). Wenn der Ton schlecht ist, machen irgendwann die Ohren schlapp. Häufig klingen Stimmen in der Videokonferenz rauschig, hallig und spitz, oder die Teilnehmer sprechen viel zu laut.
Ein gutes Mikro muss nicht teuer sein und macht einen riesengroßen Unterschied für deine Zuhörer. Auch du hast dann ggf. nicht mehr den Drang BESONDERS LAUT UND DEUTLICH ZU SPRECHEN, was auch für dich ermüdend ist.
Wie kommst du in der Videokonferenz gut rüber und erreichst, was du dir vorgenommen hast?
Wenn du magst, schreibe mir, ob dir diese Techniken und Tools genützt haben und wenn du noch Fragen hast, frage mich gerne.
Ich wünsche dir jedenfalls viel Erfolg mit deiner Videokonferenz!
> Hier gibts noch mehr Tipps und Tricks zu deiner Online-Performance.
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